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Jagd und Social Media: Digital Natives und ihr Zugang zur Jagd

Lesezeit: 8 Minuten

Titel: Digital Natives und ihr Zugang zur Jagd – Denkansätze für die Jägerschaft zur nachhaltigen Imagepflege im Zeitalter digitaler Transformation. Abschlussarbeit Universitätslehrgang „JagdwirtIn“, BOKU Wien (2019).

Autorin: Christine Fischer


Flyer Social Media Guidelines – hier zum Herunterladen

Fakten und Erkenntnisse

  • Digital Natives haben einen anderen Zugang zur Jagd als vorherige Generationen.
  • 80% der jagenden Digital Natives sehen in den sozialen Netzwerken ein geeignetes Instrument für die Imagepflege der Jagd in der Öffentlichkeit.
  • Es besteht eine Kluft zwischen Jagdverbandsstrukturen (geprägt durch jagende Digital Immigrants) und gesellschaftlicher Realität (geprägt durch jagende Digital Natives mit hoher Social Media-Nutzungsfrequenz).
  • Der wechselseitige Erfahrung- und Wissensaustausch zwischen Digital Immigrants und Digital Natives wird vom Deutschen Jagdverband DJV aktiv gefördert.
  • Die jagenden Digital Natives haben mehrheitlich ein positives Bild vom DJV und seinen Social Media Aktivitäten.
  • Unter den jagenden Digital Natives existiert eine große Bereitschaft zum persönlichen Engagement (online und offline).
  • Das Potenzial der jagenden Digital Natives bleibt weitgehend ungenutzt, weil es vor allem auf Ebene der Landesjagdverbände an Kompetenzen und Konzepten fehlt, talentierte und engagierte online User in die Kommunikationskonzepte einzubinden.
  • Der DJV beurteilt die online-Aktivitäten der jungen Jäger kritisch – v.a. die Flut an Erlegerfotos wird als problemtisch bewertet, denn sie führt zu einem einseitigen Zerrbild der Jagd im Netz, das mit der Realität nicht viel zu tun hat.
  • 70% der jungen Jäger lehnen das Posten von Erlegerfotos grundsätzlich ab.
  • Imageschädigende Inhalte im Social Web stammen oft aus den Reihen der Jäger selbst.
  • Jungen Jägern ist der Austausch mit Gleichgesinnten auf Social Media wichtig. Es findet ein kommunikativer Rückzug in geschlossene, jagdliche Gruppen statt, die den Austausch mit der nichtjagenden Öffentlichkeit unterbinden.
  • In den sozialen Netzwerken sind wir alle Botschafter für die Jagd. Rund 40% der jagenden Digital Natives identifizieren sich mit dieser Rolle.
  • Die Jagd war gesellschaftlich noch nie so transparent wie heute.
  • 60% der jungen Jäger wünschen sich, dass Social Media Skills fester Bestandteil der jagdeichen Ausbildung sind.

Ausgangslage

Die Verfügbarkeit neuer Technologien hat unsere Kommunikation grundlegend verändert. Die Interaktion via Social Media ist für die junge Generation zur neuen Norm der Kommunikation geworden. Ihre hohe Nutzungsfrequenz und ihr selbstverständlicher Umgang mit den neuen Technologien unterscheidet sie von der älteren Generation. Dies führt zu einem „Digital Age Gap“, einer altersbedingten, digitalen Kluft zwischen den sogenannten Digital Natives (1980 und später geboren und digital geprägt) und den Digital Immigrants (vor 1980 geboren und analog geprägt).

Die Überalterung der deutschen Jägerschaft verstärkt den Digital Age Gap.

Diese Kluft verstärkt sich, wenn man sie in Kontext mit der deutschen Jägerschaft stellt. Grund dafür ist ihre Überalterung: 60% der deutschen Jägerinnen und Jäger sind 55 Jahre und älter. Der Anteil der jagenden Digital Natives wird vom Deutschen Jagdverband (DJV) aktuell auf 15% geschätzt. Das bedeutet, dass ein relativ kleiner Teil der Jägerschaft durch ihre Aktivitäten in den sozialen Netzwerken einen großen Einfluss auf das Image der Jagd in der Öffentlichkeit nimmt.

Social Media-Nutzungsfrequenz im Kontext mit der deutschen Jägerschaft (Grundlage: Jagdscheininhaber D 2018/2019)
Quelle: Pew Research Center Studies, Abschlussarbeit C. Fischer

Jagdverbandsstrukturen, die vornehmlich von Digital Immigrants gestaltet und geprägt sind, stehen der Social Media-Kultur konträr gegenüber. Fehlende Durchlässigkeit, strenge Hierarchien, formale Zuständigkeiten und ein bevorzugter, klassischer Top Down-Informationsfluss verhindern schnelle Reaktionen und flexible Arbeits- und Lösungsfidungsprozesse. In den sozialen Netzwerken, die eine Mitmachkultur mit schrankenloser Kommunikation darstellen, ist im Gegensatz dazu jeder einzelne Sender und Empfänger von Informationen. Die Informationen fließen dabei schnell und in alle Richtungen. Gibt es keine unmittelbare Reaktion, ist der Inhalt kurze Zeit später schon wieder obsolet.

Jagdverbandsstruktur versus Social Media-Kultur
Quelle: C. Fischer

Für die Imagepflege der Jagd bieten die sozialen Netzwerke ein interessante Plattform. Die klassischen Gatekeeper wie Verlage oder Journalisten, die die Informationen filtern, entfallen. Wir alle können uns auf Social Media für unsere Interessen einsetzen und als Botschafter für unsere Anliegen eintreten. Das führt dazu, dass die Jagd gesellschaftlich noch nie so transparent war wie heute.

Übersicht Inhalt

Die Arbeit geht folgenden Fragen nach:

  • Wie definiert sich das Social Media-Nutzungsverhalten der jagenden Digital Natives?
  • Wie kann das Social Media-Potenzial der jungen Jägerschaft für die Imagepflege der Jagd gezielt genutzt werden? 
  • Besteht eine Kluft zwischen Jagdverbandsstrukturen und gesellschaftlicher Realität? Falls ja, wie kann diese überwunden werden?

Um die formulierten Fragen zu beantworten, wurden zwei Untersuchungen in der Praxis durchgeführt:

  1. Quantitative Befragung der jagenden Digital Natives.
    Ziel war es, Erkenntnisse über ihr Social Media-Nutzungsverhalten sowie ihre Einstellung zu den Jagdverbänden zu gewinnen. Für die Untersuchung wurde ein Onlinefragebogen mit 30 geschlossene Fragen entwickelt. Dieser wurde auf Facebook in ausgewählten, geschlossenen, jagdlichen Onlinegruppen platziert. Des weiteren gab es einen Aufruf zum Teilen. Der Rücklauf belief sich auf 555 ausgefüllte Fragebögen (total ausgewertete Antworten: 27.560).
  2. Qualitative Befragung von Repräsentanten des DJV: Hartwig Fischer (damaliger Präsident) und Torsten Reinwald (Pressesprecher und stellv. Geschäftsführer).
    Ziel war es, Erkenntnisse über die Kluft zwischen jagenden Digital Natives und jagenden Digital Immigrants zu gewinnen sowie die Möglichkeiten zu deren Überwindung zu erörtern. Es wurde ein 2-stufiges Befragungsverfahren angewendet: 1. Stufe: umfangreicher Onlinefragebogen (72 Fragen); 2. Stufe: Persönliche Gesprächsrunde in der DJV Geschäftsstelle Berlin. Bei der gemeinsamen thematischen Erörterung mit dem DJV wurden zentrale Fragen und Antworten aus dem zuvor ausgefüllten Onlinefragebogen ausgewählt und zur detaillierten Analyse in den Dialog eingebracht. In dieser qualitativen Befragung sollten auch die Unterschiede zwischen jagenden Digital Natives und jagenden Digital Immigrants beleuchtet werden.

Die Ergebnisse der Untersuchungen zeichneten ein Profil der jagenden Digital Natives, das wie folgt skizziert werden kann: Für die online Aktivitäten werden Facebook, YouTube und Instagram präferiert (Messengerdienste wie WhatsApp wurden in der Auswertung nicht berücksichtigt). Gut jeder Dritte ist mindestens ein- bis zweimal wöchentlich in den sozialen Netzwerken aktiv, jeder 10. sogar mindestens einmal täglich. Es gibt auch einen beträchtlichen Anteil an passiven Usern – Fast jeder fünfte postet keine eigenen Inhalte, sondern liest nur mit und beobachtet. Eine große Mehrheit (80%) hält Social Media Plattformen für geeignet, um Imagepflege für die Jagd zu betreiben. Aus inhaltlicher Perspektive sagen neun von zehn der Befragten, dass Aufklärungsarbeit rund um die Jagd am geeignetsten dafür ist. Aber auch der direkte Dialog mit der nichtjagenden Bevölkerung und somit eine aktive Auseinandersetzung mit jagdkiritschen Einstellungen wird unterstützt. Die Mehrheit (80%) achtet zudem auf Informationsqualität und gibt an, die Quellen der geteilten Bilder und Texte zu kennen. 40% sehen sich des Weiteren als Markenbotschafter für die Jagd, wenn sie im Netz aktiv sind.

70% der jungen Jäger lehnen Erlegerbilder auf Social Media ab.

Sehr häufig werden Bedenken im Hinblick auf das Posten von Erlegerbildern geäussert.Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass 70% der Respondenten die Veröffentlichung von Trophäenbildern generell ablehnen. Die Kommunikation findet mehrheitlich zurückgezogen in geschlossenen Gruppen oder im Freundeskreis statt. Der Aspekt des „Unter-sich-bleibens“ ist sehr wichtig für die jagenden online User. Der Austausch mit Gleichgesinnten ist ein zentrales Bedürfnis. Geschlossene Gruppen sind dementsprechend beliebt. Im Durchschniitt ist jeder jagende Social Media User in vier verschiedenen jagdlichen Online Communities Mitglied. Geschlossene Jagdgruppen werden dabei als „sicheren“ Raum mit entsprechender Privatsphäre empfunden. Dazu passt auch die Erkenntnis, dass zwei Drittel der Befragten ihre subjektive Social Media-Haltung als „vorsichtig-zurückhaltend“ beschreiben. Und wie ist die Beziehung der jagenden Digital Natives zum DJV? Der Eindruck vom DJV und dessen Social Media Aktivitäten ist überwiegend positiv. 90% zeigen sich offen für gemeinsame Aktivitäten und demonstrieren eine hohe Bereitschaft zum persönlichen Engagement.

Es konnte außerdem ein veränderter Zugang zur Jagd nachgewiesen werden. Die Gründe hierfür sind multikausal:

  • Die Jagd wird weiblicher. Der Anteil der Frauen steigt stetig (aktuell 7%, aber in den Jagdkursen sitzen 25% Frauen)
  • 1/5 der Jagdscheinanwärter hat bisher keinen Bezug zur Jagd
  • Die Bedeutung des Themas „Wildbret“ wächst stetig
  • Bisher unstrittige Werte werden vermehrt in Frage gestellt
  • Besonders bei Jägerinnen ist ein usgeprägtes Bewusstsein für Umwelt, Nachhaltigkeit, Artenschutz- u. Vielfalt feststellbar
  • Das Social Media Nutzungsverhalten und die hohe Nutzungsfrequenz verändern zudem den kommunikativen Zugang

Dem DJV ist bewusst, dass er vom Potenzial der jungen Jägerschaft profitieren kann und verfolgt Strategien zur Intensivierung des Austausches eine langfristig ausglegte Strategie, die aus unterschiedlichen Ansätzen besteht:

  • Akzentuierte Kommunikation über Etablierung von Opinionleadern (Jagd-Blogger) mit Vorbildfunktion im Netz für die Social-Media-Basis. Opinionleader sollen inhaltliche Standards setzen.
  • Social Media wird als erfolgreiche Rekrutierungsplattform genutzt. Die Akquise von Freiwilligen für jagdliche Event-Einsätze findet fast vollumfänglich über Social Media statt.
  • Durchführung des YouTube-Festival “Sophie-Award“ (seit 2019) mit der Prämierung von Filmen, die die Standards der Weidgerechtigkeit 2.0, den Empfehlungen für den Umgang mit jagdlichen Inhalten auf Social Media, erfüllen.
  • Blogger-Camp zur Erarbeitung gemeinsamer Social-Media-Standards (Definition Qualität Postings)
  • Um die nichtjagende Öffentlichkeit zu erreichen, werden verschiedene Aktionen durchgeführt, die über Social Media erfolgreich “gespielt“ werden wie zum Beispiel „Jäger sammeln Müll“ oder „gemeinsam Jagd erleben“.

Neben dem Potenzial, das die junge Jägerschaft mitbringt, gibt es auch kritisch anzumerkende Punkte. Der DJV stuft die Onlineaktivitäten der jungen Jägerschaft im Kollektiv negativ ein. Imageschädigende Inhalte im Social Web stammen oft aus den Reihen der Jäger selbst. Einzelne Negativbeispiele können auf Kosten der gesamten Jägerschaft das Image der Jagd entscheidend und nachhaltig beeinflussen. Der DJV übt zudem Kritik an dem unbedarftem und leichtfertigem Umgang mit öffentlichkeitsrelevanten Inhalten. Das Hauptproblem sieht er in der unüberschaubaren Flut an Erlegerfotos.

Die Kluft zwischen Verbandsstruktur und Social Media-Kultur muss überwunden werden.

Um die bestehende Kluft zwischen Verbandsstrukturen (geprägt durch Digital Immigrants) und gesellschaftlicher Realität (geprägt durch Digital Natives mit hoher Social Media Nutzungsfrequenz) zu überwinden, sind eine Reihe von Maßnahmen notwendig. Die Handlungsempfehlungen richten sich besonders auch an die Adresse der 15 Landesjagdverbände:

  • Ausbau der Digitalisierung: es braucht leistungsfähige Infrastrukturen im Sinne von Lebensadern der Verbände. Ziel muss ein einheitlich technisch-infrastruktureller Standard sein (idealerweise für alle Landesjagdverbände), um verbandsinterne Abläufe zu vereinheitlichen, zu demokratisieren, zu beschleunigen und effizienter zu gestalten.
  • Strukturelle Anpassungen: Eine Verbesserung der verbandsinternen Kommunikationskultur ist notwenig. Es braucht vermehrt flache Hierarchien, unkomplizierte Kommunikationswege und eine Lockerung formaler Zuständigkeiten. Die Verbände müssen ihre Führungsrolle vermehrt am Kommunikationsstil der Digital Natives ausrichten. Dazu gehört auch eine Flexibilisierung und Öffnung von Arbeits- und Lösungsfindungsprozessen.
  • Intensivierung des Erfahrungs- und Wissenstransfers zwischen jagenden Digital Natives und jagenden Digital Immigrants: Beide Gruppen sind gleichermaßen wichtig für die überzeugende Darstellung der Jagd nach außen. Es geht darum, die Stärken der jeweiligen Gruppe zu erkennen und die Synergieeffekte zu nutzen. Es gilt Strategien zu entwickeln, um engagierte und talentierte Social Media User besser in die bestehenden Kommunikationskonzepte einzubinden. Social Media Skills müssen zudem Teil der Jagdausbildung sein. Eine Forderung, die von 60% der jungen Jäger sowie vom DJV unterstützt wird.
  • Eine verstärkte Verknüpfung von realen jagdlichen Events und Social Media. Dies kann dabei helfen, die Jagd nach innen und nach außen offener zu gestalten. Es gibt beim DJV bereits Beispiele für erfolgreiche Vernetzungen wie der Live-Stream von derPodiumsdiskussion des Bundesjägertags mit anschließender Diskussionsmöglichkeit auf Facebook. Dies fördert nicht nur die von der jungen Social Media-Generation gelebte Mitmachkultur, sondern öffnet auch die Jägerschaft einem nichtjagendem Publikum.

Link zur ganzen Abschlussarbeit

Beitragsfoto: alamy.de

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