Jagd und Gesellschaft

Heimisches Wildbret – unser Beitrag zum Klimaschutz

Lesezeit: 10 Minuten

Unser Fleischkonsum ist in Verruf geraten – er hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Die Hälfte der globalen Getreideproduktion wird an Nutztiere verfüttert. Geht der Trend so weiter, stößt die Erde 2050 an ihre Grenzen. Deshalb stehen unsere individuellen Ernährungsgewohnheiten auf dem Prüfstand. Weniger Fleischkonsum ist ein oft propagierter Hebel, um unseren persönlichen CO2-Fußabdruck zu verringern. Die Forderung: weniger reden, mehr handeln. Die Entwicklung zeigt in Richtung essen mit Genuss und VERANTWORTUNG! Wildbret kann einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz und somit zum Gemeinwohl leisten. Einmal mehr ein Thema, bei dem die Jägerschaft überzeugend und fundiert mitreden kann und unbedingt auch mitreden muss!

Der globale Fleischmarkt boomt

Der globale Fleischhunger. Quelle: Statista (2)

Die umfangreichsten Zahlen zum globalen Fleischverzehr liefert wohl der zuletzt 2021 erschienene Fleischatlas. Demnach verharrt der Konsum in den westlichen Industrienationen seit Jahrzehnten auf konstant hohem Niveau. In Deutschland waren es 2019 pro Jahr und Kopf 60 kg, in den USA und Australien satte 100kg! Auch interessant: auf die bevölkerungsreichste Nation der Welt, China, entfällt ein Drittel des globalen Fleischkonsums und ein Drittel des Wachstums der vergangenen 20 Jahre. Der Hunger nach tierischen Proteinen ist aber längst nicht gestillt. Insbesondere in den sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländern wird bis 2050 die Nachfrage Prognosen zufolge um ca. 80 bis 100 % steigen. Parallel dazu wird sich auch die globale Fleischproduktion verdoppeln. Die Gründe für den immensen Fleischhunger sind vielfältig. Ausschlaggebend sind allerdings die gestiegenen Einkommen sowie die Bevölkerungszunahme (1). 

Weltweit leben und sterben jährlich 150 Milliarden Tieren in Massentierhaltung.

Je reicher, umso fleischhungriger. Der Fleischverbrauch nach Ländern und Wirtschaftsleistung, pro Kopf, 2017. Quelle: Fleischatlas 2021, Urheber: Bartz/Stockmar (1)

Verheerende Klimabilanz der Fleischindustrie

Klimabilanzen im Vergleich. Quelle: Fleischatlas 2021 (1)

Die öffentliche Debatte wird mitunter expressiv und emotional geführt. Wer was isst oder essen darf, ist ein sehr persönliches Thema, das von den Menschen als Selbstbestimmung und individuelle Freiheit empfunden wird. Aber auch die erhitzten Gemüter können die Fakten nicht von der Hand weisen. Insbesondere die Treibhausgasemissionen aus der Tierhaltung sowie der hohe Flächenverbrauch der Futtermittelproduktion sind Totschlagargumente, die die Position der Fleischkritiker untermauern. Dem Weltklimarat IPCC zufolge beträgt der Anteil des Ernährungssektors am globalen Treibhausgas zwischen 21 und 37 %. Etwa 70 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche werden für die Viehwirtschaft genutzt. Dazu kommen Faktoren wie ein ineffizienter Einsatz von Wasser und Energie – gut 70 % des globalen Süßwassereinsatzes entfallen auf die Landwirtschaft (4). Die Regenwaldzerstörung im Zusammenhang mit dem Anbau von Futtermitteln gerät bei all diesen schwerwiegenden Konsequenzen manchmal schon beinahe in Vergessenheit.

Die Gesellschaft denkt um

Die aus einem übermäßigen Fleischkonsum resultierenden gesundheitlichen Probleme sind ein weiterer Push-Faktor des selbstkritischen Gesinnungswandels im Hinblick auf das eigene Essverhalten. Die „Deutsche Gesellschaft für Ernährung“ empfiehlt eine maximale Obergrenze von 30 kg Fleisch pro Jahr und Kopf. Ein höherer Verzehr schlägt in der Gesundheitsbilanz nachweislich negativ zu Buche. 

Trendverstärkend hat auch die Corona-Krise gewirkt. Durch die Pandemie der letzten zwei Jahre sind Themen wie Nachhaltigkeit und bewusster Lebensstil viel stärker ins Bewusstsein der Menschen gerückt.

Das eigene Konsumverhalten wird zunehmend hinterfragt.

Deutsche Kunden machen Druck. Quelle: Kearney (5)

Laut einer Untersuchung, die der Unternehmensberater Kearney gemeinsam mit der Universität Köln und CEMS (Global Alliance in Management Education) durchgeführt hat, waren es 2019 34% der befragten Konsumenten, die Nachhaltigkeitsaspekte immer oder häufig in ihre Kaufentscheidung miteinbezogen. Ein Jahr später bereits mehr als die Hälfte. Nur noch ein Viertel berücksichtigt den Nachhaltigkeitsgedanken heute selten oder nie. Frauen ist das Thema zudem wichtiger als Männern und Besserverdienende berücksichtigen Nachhaltigkeit durchschnittlich häufiger. Am stärksten achten die Verbraucher dabei auf faire Erzeugung, die auch den Themenkomplex des Tierwohls beinhaltet. Regionale Produktion und nachhaltige Verpackungen folgen auf der zweiten und dritten Position (5).

Dass Tierwohl mittlerweile ein entscheidendes Kriterium beim Kaufverhalten der Konsumenten geworden ist, ist nicht weiter erstaunlich. Die Menschen sind gegenüber tierschutzrechtlichen Belangen sensibilisiert und reagieren empfindlich auf entsprechende Missstände. Deshalb dreht sich der gesellschaftliche und politische Diskurs auch um Forderungen nach einer Verbesserung des Tierwohls in der Nutztierhaltung. Haltungsbedingungen, Transport und Schlachtung sollen möglichst stressfrei und schonend gestaltet werden.

Zu Alternativen gezwungen

Es ist offensichtlich, dass es notwendig ist, die Bedingungen für den Konsum von tierischen Lebensmitteln gesellschaftlich neu auszuhandeln. Lösungen bzw. Alternativen sind teilweise in ihrer Entwicklung bereits weit fortgeschritten und profitieren von der gestiegenen öffentlichen Aufmerksamkeit und dem intensiveren Diskurs. Das Marktpotenzial für proteinreiche, fleischlose Produkte scheint riesig zu sein. Laut Kearney bezeichnen sich mehr als 15% der Deutschen als Vegetarier, Veganer oder Pescetarier. Über 50% geben zudem an, Fleisch durch vegetarische Alternativen teilweise oder ganz zu ersetzen. Die Studie von Kearney sagt außerdem aus, dass in Deutschland, Österreich und der Schweiz etwa die Hälfte der Verbraucher (45 %) nur einmal oder seltener pro Woche Fleisch konsumiert.

Kein Wunder, schießen vegane Unternehmen wie die Pilze aus dem Boden. AllPlants, Simple Feast, Planted Food oder das wohl bekannteste Beyond Meat – die Liste ist fast endlos. Vor allem UK nimmt hier – getragen von einer sehr starken und aktiven Tierrechtsbewegung, die diesen Trend öffentlichkeitswirsam verstärkt – eine Vorreiterrolle ein. Unter den 30 am besten finanzierten veganen Unternehmen stammen alleine 16 aus den Vereinten Königreich (6). 

Was sind das für fleischlose Erzeugnisse, die immer häufiger auf den Tellern der Leute landen? Im Grunde genommen gelten drei Produktsegmente als erfolgsversprechend im Hinblick auf die Herstellung und die öffentliche Akzeptanz. Die wohl bekannteste Alternative sind pflanzenbasierte Fleischersatzprodukte. Sie sind bereits länger am Markt etabliert und werden geschmacklich immer weiter optimiert. Essbare Insekten als zweite Option sind zwar im Hinblick auf ihren Nährwert vielversprechend, aber der Prozess der individuellen Akzeptanz könnte zur Herausforderung werden – und das, obwohl Insekten in anderen Kulturen ganz selbstverständlich auf dem täglichen Speiseplan stehen. Last but not least geschieht sehr viel im Bereich der Entwicklung von In-vitro-Fleischerzeugnissen. Das auch als „clean meat“ bekannte Produkt, wird aus tierischen Stammzellen gezüchtet und synthetisch erzeugt. In seinem Aussehen und seiner Konsistenz ist es echtem Fleisch am ähnlichsten und könnte deshalb von vielen Fleischliebhabern präferiert werden. 

Reset der Essgewohnheiten

Akzeptanz der Konsumenten für Fleischersatzprodukte. Eigene Darstellung nach A.T. Kaerney und Leopold Kirner / Referat bei der Österreichischen Jägertagung 2022: Agrarwirtschaft und Agrarlandschaft jetzt und in Zukunft (7)

Der Wandel des Ernährungssystems ist unumkehrbar. Gesellschaftliche Veränderungen sowie ökologische, demographische und wirtschaftliche Veränderungen erzwingen sozusagen einen grundlegenden Reset unserer Essgewohnheiten. Kearney prognostiziert in seiner aktuellen Studie, dass in 20 Jahren nur noch 40% des weltweit konsumierten Fleischs aus konventionellen, tierischen Quellen stammen wird. Bis 2030 werden die Konsumenten vor allem auf pflanzenbasierte Alternativen setzen. Im Jahr 2040 werden sich zunehmend Produkte auf Zellbasis oder Insektenbasis durchsetzen.

Gesellschaftskonforme Produktion

Trotz der immer weiter um sich greifenden freiwilligen Selbstbeschränkung funktioniert in Deutschland das Prinzip „Geiz ist geil“ nach wie vor am zuverlässigsten. Aktuell lässt die Inflation den Fleischkonsum deshalb ganz automatisch sinken. Ob die Preise für tierische Erzeugnisse jemals wieder auf das vor-inflationäre Niveau zurückgehen werden, ist mehr als fraglich. Die tiefgreifende Transformation der Agrarwirtschaft ist längst im Gange. Zukunftsfähige Produktionsweisen werden gestärkt aus diesem Prozess hervorgehen. Insbesondere die junge Generation der Lebensmittelproduzenten will vermehrt gesellschaftskonform produzieren.

Deutschland hat eine Regierung mit Beteiligung der Grünen gewählt, die die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen für diesen Wandel proaktiv vorantreibt und das Land in einer moralischen Verantwortung sieht, in Sachen Umweltschutz mit gutem Beispiel voranzugehen. Die  politische Agenda scheint darüber hinaus darauf ausgerichtet zu sein, dass unsere innere Überzeugung einem verordneten Verhalten zu folgen hat. Basta!

Hervorragende Chancen für das Wildbret

Kommen wir zur wichtigsten Erkenntnis für uns Jägerinnen und Jäger: aus den disruptiven Ereignissen der letzten Jahre im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Umbruch wachsen neue Möglichkeiten und Perspektiven, die wir erkennen und nutzen müssen.

Für das Wildbret aus heimischen Revieren – als das bestes Produkt der Jagd – gibt es eine hervorragende Chance, einen festen und gesellschaftlich akzeptierten Platz als Bestandteil des neu definierten Ernährungsspektrums zu erlangen!

Gehen wir davon aus, dass Fleischkonsum auch in Zukunft – zwar unter veränderten Parametern und trotz der sich immer weiter etablierenden Ersatzprodukte – seine Daseinsberechtigung hat, kann das Fleisch von wildlebenden Tieren einen ganz besonderen Stellenwert einnehmen.

Wildbret schneidet in allen beschriebenen Segmenten besser ab als Fleisch aus der konventionellen Tierhaltung. Der natürliche Lebensraum sowie das schnelle und schmerzfreie Töten verschaffen der Jagd zudem einen überlegenen Vorteil im Vergleich mit anderen Formen der Fleischproduktion. Die Herstellung ist ethisch korrekt, wenn wir unser Handwerk mit der nötigen Sorgfalt und Kenntnis ausüben.

Die Infografik zeigt einen Überblick der vorteilhaften und argumentativ zuträglichen Aspekte, die mit dem Fleisch heimischer wildlebender Tiere verbunden sind (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): 

Wildbret ist Fleisch aus der konventionellen Haltung in jeder Hinsicht überlegen. Eigene Darstellung

Unabhängig von der zu erwartenden weiteren Rückläufigkeit des Fleischkonsums in den westlichen Industriestaaten und der gedrosselten Produktion, wird unser Wildbret in vermutlich zunehmender Menge vorhanden sein. Solange wir im staatlichen Auftrag die Wildbestände in unseren Wäldern jagdlich regulieren, bleiben wir auch Hersteller von gesundem und qualitativ hochwertigem Fleisch. Noch nicht einmal die Hardliner der aktuellen Fleischlos-Debatte werden ernsthaft fordern wollen, dass dieses wertvolle Produkt nicht auch mit Genuss und gutem Gewissen verzehrt werden sollte!

Die guten Argumente haben wir auf unserer Seite. Aber wir müssen auch unsere Hausaufgaben machen – und zwar jetzt!

Jetzt oder nie – der Moment für das Wildbret ist da

Nach einer Hochrechnung von David Plaz in einen Artikel für das Magazin Der Überläufer betrug der Wildbretverzehr in Deutschland 2018/2019 14.100 t Schwarzwild, 9600 t Rehwild sowie 4000 t Dam- und Rotwild. Der Normalverbraucher aß in Deutschland demnach gerade einmal 250g heimisches Wildbret pro Jahr, was 1 bis 1,5 Mahlzeiten entspricht (9). Es gibt also viel Luft nach oben.

Bevor der Konsum von Wildbret nachhaltig gestärkt und ausgeweitet werden kann, haben die Jägerschaft und ihre Partner noch einiges an Arbeit zu erledigen. Die Strukturen für die Verarbeitung müssen überdacht, ausgedehnt und diversifiziert werden. Laut Plaz werden aktuell 7.700 t Wildbret von einer einzigen Unternehmensgruppe verarbeitet: MaierWild.

Vertrieb und Marketing von wildbretbasierten Produkten müssen zudem dringend professionalisiert werden. Wir benötigen sichtbare, öffentlichkeitswirksame und breit angelegte Kampagnen!

Wildbret muss – vor allem auch im urbanen Raum – viel häufiger und selbstverständlicher an den Touchpoints des Nahrungsverzehrs verfügbar sein. 

Foto: Instagram @wildegrillerei
Foto: Instagram @gameandflames

Ein weiterer essenzieller Baustein ist eine selbstbewusste und zielgerichtete online und offline Kommunikation durch die Jägerschaft. Wir alle sind Lebensmittelhersteller und dadurch automatisch Botschafter für das Produkt, das wir generieren. Wir sind aufgefordert, die Vorzüge des Wildbrets der nichtjagenden Bevölkerung proaktiv näherzubringen. Coole Social Media Accounts wie auf Instagram @wildegrillerei oder @gameandflames können einen zusätzlichen wertvollen Beitrag zu einer transparenten und authentischen Darstellung leisten. 

Zwei Tassen Kaffee für die Zukunft der Jagd

Ja, für die Implementierung der einzelnen Bausteine müssen wir entsprechende finanzielle Mittel in die Hand nehmen. Stellt euch vor, jede und jeder der 400.000 deutschen Jägerinnen und Jäger würden fünf Euro in einen Topf werfen, um diese wichtigen Konzepte voranzutreiben und umzusetzen. Wir könnten viel bewegen – nicht nur für die Nachhaltigkeit, den Klima- und Umweltschutz, sondern auch für die Reputation und Akzeptanz der Jagd in der breiten Bevölkerung. Es liegt an der Jägerschaft, die Vorzüge des Wildbrets in die Gesellschaft zu tragen. Auf geht’s: Raus aus der Komfortzone, rein in die öffentliche Debatte!

Quellen: 

  1. Fleischatlas 2021 – ein Kooperationsprojekt von: Heinrich-Böll-Stiftung, BUND, Le Monde Diplomatique. Verfügbar unter:
    https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/massentierhaltung/massentierhaltung_fleischatlas_2021.pdf
  2. https://de.statista.com/infografik/20391/produktion-von-fleisch-weltweit/
  3. https://www.fairlis.de/post/vegan-fuer-die-umwelt/
  4. https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2020/07/SRCCL-SPM_de_barrierefrei.pdf
  5. https://www.de.kearney.com/consumer-retail/article/-/insights/deutsche-kunden-machen-druck
  6. https://vegconomist.de/investitionen/bestfinanzierten-veganen-unternehmen/
  7. Referat Leopold Kirner. Österreichische Jägertagung 2022. Agrarwirtschaft und Agrarlandschaft jetzt und in Zukunft. Verfügbar unter: https://raumberg-gumpenstein.at/component/rsfiles/vorschau.html?path=Tagungen%252FJaegertagung%252FJaegertagung_2022%252FKirner%2B2022%2BAgrarwirtschaft%2Bund%2BAgrarlandschaft%2Bjetzt%2Bund%2Bin%2BZukunft.pdf
  8. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2020-06-25_trendanalyse_fleisch-der-zukunft_web_bf.pdf, Abb 05, S20).
  9. Plaz, David (2021). Nebensache Wildbret. Der Überläufer (01/2021)

Weitere Links zum Thema:

Video: https://www.swrfernsehen.de/landesschau-rp/gutzuwissen/video-1482-wildfleisch-100.html

Die Zukunft im Blick: Fleisch der Zukunft – Trendbericht zur Abschätzung der Umwelteinwirkungen von pflanzlichen Fleischersatzprodukten, essbaren Insekten und in-vitro Fleisch. Umwelt Bundesamt (2019). Verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2020-06-25_trendanalyse_fleisch-der-zukunft_web_bf.pdf

Beitragsfoto: iStock

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