Interview Jagd und Gesellschaft

Das unterschätzte Phänomen der Naturentfremdung

Lesezeit: 20 Minuten

Die Jägerschaft hat es schwer, mit ihren Botschaften in der breiten Bevölkerung Gehör zu finden. Einerseits beruht ihr Handwerk auf komplexen Zusammenhängen, die sich nicht in wenigen Worten erklären lassen. Andererseits ist die Naturentfremdung unter den Menschen weit fortgeschritten. Besonders im urbanen Umfeld unterscheidet sich das Naturverständnis deutlich von demjenigen der Jägerinnen und Jäger, die oft ein umfassendes Wissen rund um ökologische Kausalitäten mitbringen.

Das, was wir als „Natur“ bezeichnen, verschwindet in unserer Gesellschaft immer mehr aus dem Fokus. Natursoziologie.de bringt es auf den Punkt: „Offenbar befindet sich die Menschheit bereits mitten in einem revolutionären Übergang von ihrem ursprünglich arteigenen Biotop zu einem selbstgeschaffenen Technotop“. Vorrangig die junge Generation befindet sich auf einem spürbaren Rückzug aus der natürlichen in eine technisierte Wirklichkeit. Sie nimmt die Welt anders wahr als ihre Vorgänger.

Eine wichtige Datenquelle im Hinblick auf das Forschungsobjekt Naturentfremdung bekleidet der „Jugendreport Natur“. Er liefert detaillierte Erkenntnisse, aus denen sich über die Jahre betrachtet zwei deutliche Trends herauskristallisierten: Ein breiter Verlust an faktischer Naturnähe sowie eine erstaunliche Kontinuität auf der Ebene abstrakter Naturverehrung. Persönlich beobachte ich vermehrt auch das Phänomen des durch und durch naturbesorgten Bürgers, der sich selber einem ausgiebigen „Green-Washing“ unterzogen hat, in Wirklichkeit aber nur über sehr beschränkte Kenntnisse und Praxis-Erfahrung mit der heimischen Natur verfügt. Mit einem Schmunzeln erinnere ich mich an meinen Vater zurück, der sich in diesem Zusammenhang gerne über die „Studierstubenromantiker“ echauffierte, wie er sie nannte.

Bereits in den 40er Jahren lehrte Disney seine dankbare Gefolgschaft, dass der Vater vom Rehkitz ein Hirsch ist. Ein Fehler übrigens, der erst durch die deutsche Synchronisation entstanden ist. Ursprünglich nahmen die Zeichner nämlich einen Weißwedelhisch als Vorlage.

Nein, Kühe sind nicht lila, Enten sind nicht gelb und auch für das Schnitzel von der Supermarkt-Theke musste ein Tier sterben.

Was bedeutet es für die Jagd, wenn wir Menschen von unserer Tätigkeit überzeugen müssen, die sich immer weiter von dem entfernen, was wir inhaltlich transportieren möchten? Die Naturentfremdung trägt einen nicht unerheblichen Teil dazu bei, dass wir Jägerinnen und Jäger vor großen kommunikativen Herausforderungen stehen. Wie können wir für unsere Anliegen werben, wenn das grundlegende Basiswissen nicht mehr vorhanden ist? Höchste Zeit also, mit Ivo Bozic, dem Leiter Naturbildung der Deutschen Wildtier Stiftung, einen ausgewiesenen Experten zu diesem Thema zu Wort kommen zu lassen

Ivo Bozic – Leiter Naturbildung, Deutsche Wildtier Stiftung

Herr Bozic, auf welches Verständnis nehmen wir Bezug, wenn wir heute von Natur sprechen? 
Im Großen und Ganzen reden wir alle umgangssprachlich über Natur als Gegensatz zur Kultur, also Natur als das, was nicht vom Menschen geschaffen wurde. Letztlich ist aber schon dieser kleinste gemeinsame Nenner beim Naturbegriff eine Fiktion, denn erstens ist der Mensch selbst Teil der Natur und zweitens ist auch die Natur weitgehend von ihm geprägt. Ursprüngliche Wildnis gibt es kaum noch, und da, wo sie existiert, ist auch dies vom Menschen in der Regel so gewollt oder wird zum Beispiel durch den Klimawandel beeinflusst.

Wenn ich von Natur spreche, spreche ich von Natur und Mensch als Einheit und denke die Natur nicht als stabiles System, das einen bestimmten idealen Zustand hat, stattdessen präsentiert sie eine Vielfalt und Vernetztheit, die weder in ihrem Ausmaß noch in ihrem Sinn je von uns zu begreifen ist. Aus naturpädagogischer Sicht beschreibt Natur vor allem einen Raum mit lebendigen Prozessen und ist, wie der Autor Andreas Weber formuliert, „ein Spiegel, in dem sich Kinder selbst erkennen können“. Sie werden dort mit Vielfalt, mit Wandel, Bewegung, Wachstum und Sterben – sprich mit dem Leben – konfrontiert, es ist die Ausgangslage jeder Selbstreflektion. Du schaust auf den Käfer und du siehst dich selbst.

Zu unterscheiden sind in der Bildungsarbeit auch die Begriffe Natur und Umwelt. „Natur“ versucht in der Regel die Welt als Lebensraum zu beschreiben: die Lebewesen sowie die  Beziehungen der Lebewesen untereinander ebenso wie die äußeren, nichtlebendigen Einflüsse auf diese. „Umwelt“ bezieht sich meist nur auf das Verhältnis zwischen dem Menschen und der ihn umgebenden Natur, ist also wesentlich partieller. Wir sprechen daher lieber von Natur- als von Umweltbildung. 

Immer mehr Menschen wachsen auf, ohne mit der belebten Natur in Berührung zu kommen. Was bedeutet das für unsere Gesellschaft?
Bei einer repräsentativen Umfrage, die die Deutsche Wildtier Stiftung 2015 in Auftrag gegeben hatte, gaben 22 Prozent der Eltern an, dass ihre Kinder „nie oder fast nie“ ein freilebendes Tier zu Gesicht bekommen. Das ist zwar nicht richtig, weil freilebende Tiere fast immer in unserem Blickfeld sind – seien es vorbeifliegende Vögel am Himmel, eine Mücken vor der Nase oder eine Spinne in der Zimmerecke -, dennoch macht diese Aussage betroffen, denn sie zeigt, dass viele Menschen ohne bewusste Naturwahrnehmung durch ihr Leben gehen.

Eine Gesellschaft, die kein Verhältnis zur Natur hat, wird sich auch nicht für die Natur einsetzen.

Wenn Menschen beklagen, jeden Tag würden so und so viele Tierarten aussterben, sage ich immer: Nenne mir eine! Arten, die man gar nicht kennt, wird man auch nicht vermissen, und sich dementsprechend nicht für ihren Schutz einsetzen. Und selbst, wenn man das möchte, kann man es nicht sinnvoll tun, wenn man zu wenig über eine Art und die ökologischen Zusammenhänge weiß. 

Wie äußert sich diese Naturentfremdung konkret im Alltag?
Zum einen durch die abnehmende Artenkenntnis. Immer weniger Kinder, aber auch Erwachsene, können eine Amsel von einer Krähe unterscheiden oder ein Reh von einem Rothirsch. Eine Studie in Bayern beispielsweise hat 2018 einen signifikanten Rückgang der Artenkenntnis unter den bayrischen Gymnasiasten um beinahe 20 Prozent innerhalb eines Jahrzehnts festgestellt (Link). Es gibt zahlreiche solcher Untersuchungen. Die abnehmende Artenkenntnis ist aber nicht nur ein Problem fehlender Naturerfahrung, sondern auch ein Problem unseres Bildungssystems. Das Problem beginnt schon in der Schule – und zwar nicht bei den Schülern. Schon viele Biologielehrer starten nach ihrer Ausbildung in ihr Berufsleben ohne einen Überblick über die heimischen Arten zu haben. 

Eine andere Ausprägung der Naturentfremdung ist aber auch die Naturromantik, die umso mehr aufblüht.

Es gibt in diesen als unsicher empfundenen Zeiten eine große Sehnsucht nach Idylle, raus aufs Land!, und die Natur muss hierbei als Projektionsfläche herhalten.

Viele Menschen, gerade in der Junge-Eltern-Generation, glauben, sie seien dadurch, dass sie ein Landleben-Magazin lesen, ihren Wintergarten hübsch dekorieren, Dinkelkekse backen und Blumenschälchen töpfern, besonders „naturverbunden“. Selbstverständlich haben sie aber, nur weil sie diesen Lifestyle pflegen, noch nichts über die Funktionssysteme unserer Tier- und Pflanzenwelt verstanden, das heißt, sie können dadurch noch keine qualifizierten Aussagen zur Bedrohung der Natur oder zu sinnvollen Maßnahme für ihren Schutz treffen. Auf dieser rein emotionalen Grundlage können wir aber nicht über eine solch existentielle Herausforderung wie den Stopp des dramatischen Biodiversitätsverlust auf diesem Planeten reden. Also können wir schon, tun auch viele, aber es macht keinen Sinn.

Was läuft falsch, wenn junge Menschen denken, dass in unseren Wäldern Mangos und Ananas wachsen?
Wer das denkt, war sicherlich noch nie in einem deutschen Wald oder er weiß nicht, was Mangos und Ananas sind. Beides ist durchaus denkbar, immerhin gibt es auch erwachsene Leute, die glauben, wir würden von Echsenmenschen aus dem All regiert. Ich will sagen: Unwissen ist nicht nur ein Generationenproblem.

Das „Zurück zur Natur“ dieser Tage, die Glorifizierung des – vermeintlich – Ursprünglichen ist eben leider keine Hinwendung zur Natur, sondern die Simulationen einer Natürlichkeit, die es gar nicht gibt.

Denn in der Natur ist nichts naturgegeben und unveränderlich, da ist alles im steten Wandel. Doch viele Menschen sehnen sich inmitten der großen allgemeinen Konfusion und apokalyptischer Ängste nach einer heilen Welt. Die rousseausche Hoffnung, dass der Mensch in der Annährung an seinen Naturzustand zu seinem guten Wesen zurückfinde, ist angesichts der politischen Weltlage zwar verständlich. Doch anders als zu Zeiten Jean-Jacques Rousseaus können wir heute wissenschaftlich belegen, dass mit unserer Vorstellung von Natürlichkeit weder Gesellschaft noch Natur „geheilt“ werden können. 

Wer ist von der Naturentfremdung am meisten betroffen? Gibt es signifikante Unterschiede zwischen dem urbanen und ländlichen Umfeld? Falls ja, wie äußern sich diese?
In Studien und Umfragen zeigt sich immer wieder, dass die Naturentfremdung beim städtischen, urbanen Milieu stärker ausgeprägt ist. Das ist ja einerseits auch logisch. 

Kinder in der Stadt haben es sehr viel schwerer, einen Zugang zur Natur zu finden, als Kinder in ländlicheren Gebieten. Der durchschnittliche Berliner in Neukölln denkt nachts: Was ist denn das wieder für ein nerviges Gepiepse?, und macht das Fenster zu. Er kommt gar nicht erst auf den Gedanken, dass es Waldohreulenküken sind, die er hört. Er weiß weder, was eine Waldohreule ist, noch dass diese mitten in der Stadt in seiner Nachbarschaft lebt. Oft ist auch die soziale Herkunft ein ausschlaggebendes Kriterium. Gerade in ärmeren städtischen Gegenden finden Kinder nur schwer Zugang zur Natur. Soziale Probleme schränken zudem die Wahrnehmung von Natur im Wohnumfeld ein.

Wer auf dem Land lebt, sieht jedoch nicht zwangsläufig mehr Tiere als ein Stadtmensch. In Berlin leben 20.000 bis 30.000 Tier- und Pflanzenarten, dagegen ist in den riesigen Monokulturen unserer Äcker vergleichsweise wenig los. Der Unterschied ist, dass dort, wo sonst wenig los ist, die Aufmerksamkeit für das, was los ist, höher ist. Also für den jahreszeitlichen Wandel in der Natur etwa, oder für die Waldohreulenküken in der Nacht. 

Viele Studien, das ist meine Meinung, sind allerdings schon deshalb wenig aussagekräftig, weil sie den Begriff „Natur“ gar nicht definieren, da stellen sich die Befragten dann vermutlich doch jeweils sehr verschiedene Sachen drunter vor. Die Umfragen transportieren oft selbst ein völlig verkürztes Bild von Natur. Wenn zum Beispiel nur gefragt wird, wie oft man in den Wald geht, und meint, allein damit Naturerfahrungen messen zu können, würde ich einwenden: Der Waldbesuch kann eine ganz tolle und ganz wunderbare Naturerfahrung sein, die wir unbedingt fördern wollen, aber es ist eben nur eine von vielen möglichen Naturerfahrungen. Und man kann ohne weiteres auch stundenlang durch einen deutschen Forst latschen, ohne ein einziges Wildtier zu entdecken. Die eben bereits erwähnte bayerische Studie von Forschern der Ludwig-Maximilians-Universität in München hatte zum Beispiel ein anderes Ergebnis. Ihr zufolge haben in Bayern Kinder aus großen Städten eine höhere Artenkenntnis als Schülerinnen und Schüler vom Land. 

Wie sehen die Forschungsarbeiten und Projekte der Deutschen Wildtierstiftung zu diesem Thema aus?
Auch die Deutsche Wildtier Stiftung gibt Umfragen zum Naturbewusstsein der Bevölkerung oder zu ihrer Beziehung zu bestimmten Wildtieren in Auftrag. Wir pflegen einen engen Austausch mit einem Netzwerk von Natur- und Waldkindergärten, bei dem wir Erkenntnisse aus der alltäglichen Arbeit mit Kindern zusammentragen. Bereits 2014 haben wir für eine Studie 1.000 Natur– und Waldkindergärten und Kindertageseinrichtungen mit Naturbezug zu ihrer aktuellen Situation befragt (Link). Wir haben zur Frage, welchen Einfluss die Natur auf die Entwicklung von Kindern hat, eine Publikation herausgegeben, für die 115 wissenschaftliche Studien zur Naturpädagogik verglichen wurden (Link). Zu unseren Projekten zählen zum Beispiel das Netzwerk unserer Patenkindergärten, Bildungsprojekte rund um den Spatz in Hamburg und Berlin. In Mecklenburg-Vorpommern haben wir neben unserem Gut Klepelshagen, auf dem wir wildtierfreundliche Land-, Forst- und Jagdpolitik betreiben, ein Schullandheim und Naturbegegnungscenter: das Haus Wildtierland. Wir haben zudem für 8 bis 14-Jährige ein Naturbildungsangebot im Internet geschaffen: die Kinderseite wildtierfreund.de. Für Pädagogen unterhalten wir eine Fortbildungsdatenbank. Die Forschung unterstützen wir, indem wir zum Beispiel Fach-Symposien ausrichten und alle zwei Jahre einen hoch dotierten Forschungspreis an Nachwuchswissenschaftler vergeben (Link).

Welchen Kontext sehen Sie zwischen der Naturentfremdung und unserem heutigen Fleischkonsum aus der industriellen Tierhaltung? 
Es gibt selbstverständlich sowohl hinsichtlich des Klimawandels, als auch der Biodiversität sowie des Tierwohls große Probleme mit der fleischgewinnenden Industrie. Das muss man zunächst festhalten. Hier gibt es sehr viel zu tun, und den Fleischkonsum zu reduzieren, schadet ganz sicher erst einmal nicht, sondern wäre, im globalen Maßstab gesehen, sinnvoll. Dass die gesamte Menschheit ihren Fleischkonsums durch Jagd befriedigen könnte, ist aber ebenso unrealistisch wie die Vorstellung, dass sich die gesamte Menschheit vegan ernähren könnte. Ohne Tierhaltung wird es also nicht gehen. Und sollte es auch nicht, denn gerade Weideflächen sind wichtige Lebensräume. 

Bei Ernährungsfragen spielt Naturschutz allerdings eine sehr untergeordnete Rolle. Es geht den meisten Menschen dabei um Ethik im Sinne der Tiere und um die eigene Gesundheit. Ernährung ist inzwischen außerdem zu einem ganz wesentliches Distinktionsmerkmal geworden.

Man kann sagen, dass die Frage nach der richtigen Ernährung, ebenso wie die Naturromantik, eher ein Ausdruck der Naturentfremdung ist.

So hat es die Soziologin Jana Rückert-John beschrieben. Sie sagt, dass die verschiedenen Ernährungstrends wie Rohkost, laktosefrei, glutenfrei, »clean«, paleo, frugan oder vegan jeweils verschiedene Aspekte fokussieren. Sie präferieren jeweils eine bestimmte Art der Ernährung und schließen eine andere aus. Typisch für alle sei, dass man sich auf bestimmte Produkte oder eine bestimmte Auswahl beschränkt, die dann gegessen werden. Frau Rückert-John spricht deshalb davon, dass Ernährungstrends Strategien der Komplexitätsreduktion seien. Thomas Ellrott, Leiter des Instituts für Ernährungspsychologie an der Universität Göttingen, meint, dass tradierte Ordnungssysteme wie Religion und Familie an Bedeutung einbüßen, deshalb verlagere sich die Sinnsuche in die eigene Küche, Ernährung dient zur Identitätsbildung. Das finde ich, sind interessante Überlegungen. Ich will damit aber nicht sagen, dass es weniger entfremdet oder vernünftiger sei, sich keine Gedanken um die Ernährung zu machen. 

Der „Jugendreport Natur“, eine seit 20 Jahren bestehende Initiative des Instituts für Erziehungswissenschaften der Universität Marburg, stellt fest, dass die Distanz zur Natur immer größer wird. Verblüffend ist, dass auch grundlegendes Wissen verloren geht. Nur 35% der Befragten wussten bei der letzten Befragung noch, wo die Sonne aufgeht. Wohin wird das führen?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber der „Jugendreport Natur“ ist eine ganz wichtige Initiative, die wir vor allem dem Soziologen Rainer Brämer verdanken. Er beschäftigt sich schon sehr, sehr lange und sehr ausgiebig mit dem Thema, aber auch mit der Forschung selbst, die er durchaus kritisch sieht. Er arbeitet sehr unpopulistisch, ideologiekritisch und liefert daher auch sehr differenzierte Ergebnisse. Das passt nicht immer in den öffentlichen Diskurs, der um Vereinfachung ringt. Und er untersucht auch von Anfang den Zusammenhang mit der Naturverklärung.

Im Jugendreport 2021 stellt sich etwa heraus, dass heute 66 % der befragten Schülerinnen und Schüler meinen, dass die Natur ohne den Menschen „in Frieden und Harmonie“ sei. Fünf Jahre zuvor waren es nur 56 % und 2010 nur 37 %.

In angloamerikanischen Medien liest man regelmäßig Begriffe wie „Natural Deficit Disorder“ oder „Second Environmental Crisis“. Im deutschsprachigen Raum wird dem Thema relativ wenig Beachtung geschenkt. Warum ist das so?
Es gibt schon einige Wissenschaftler, die sich hierzulande kontinuierlich diesem Thema widmen. Aber es sind tatsächlich eher wenige. Andersherum gibt es aber, grade auch aus dem Ansatz der Naturpädagogik, viele Studien, die untersuchen und auch belegen, wie wichtig der Naturraum für die kindliche Entwicklung ist. Naturerfahrungen fördern bei Kindern die mentale, die soziale und die physische Entwicklung, sie stärken Sozial- und Sprachkompetenz und machen Kinder selbst- und umweltbewusster. All das ist gut erforscht. 

Wird die Untersuchung der Naturentfremdung einem bestimmten Wissenschaftsbereich zugeordnet? 
Hier greifen Pädagogik, Soziologie, Kulturwissenschaft, Medizin, Psychologie und Philosophie ineinander. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass sich nicht so viele zuständig fühlen für das Thema und auch die Forschungsförderung eher bescheiden ist. Am Ende liegt das, was heute unter Umweltpädagogik verstanden wird, oft in den Händen naturwissenschaftlich-technisch ausgerichteter Lehrkräfte. Ein Problem bei derart interdisziplinären Themen sind auch die Begriffe. Weder Gesellschaft noch Wissenschaft haben überhaupt einen konsensualen Naturbegriff, deshalb kommt im Diskurs zu vielen Missverständnisse. 

Die Naturentfremdung macht sich auch in unserem Kommunikationsstil bemerkbar. Naturbegriffe verschwinden immer mehr aus Songtexten, Romanen und Filmen. Als 2015 die Jugendausgabe des Oxford Dictionary neu aufgelegt wurde, mussten Begriffe wie Kanarienvogel, Grasland oder Brombeere zu Gunsten von Blog, Voicemail und Blackberry (Smartphonemarke) weichen. Müssen wir uns mit dieser Entwicklung abfinden?
Diese Beobachtung teile ich nicht. Ich beobachte, wie eben beschrieben, eine zunehmende Naturromantik, die mag entfremdet sein, aber die Begriffe fallen dort schon. Die „Landlust“ ist immer noch eine der erfolgreichsten Publikumszeitschriften und es gibt unzählige Derivate dieses Formats. Auch die Biomärkte boomen vor allem deshalb, weil Großstädter sie für Fillialen der Natur in der Stadt halten. Eine ganze Generation von Kindern redet nur noch über das Klima. Also die Themen Natur, Tiere, Klima – die sind, bei aller Naturentfremdung, schon sehr präsent. 

In Japan gehört das „forest bathing“ (Spaziergänge im Wald) zu einem gesunden Lebensstil. Welchen positiven Einfluss hat die Natur auf unser Leben?
Im Wald kommt man zur Ruhe, entspannt besser und bewegt sich mehr. Das jetzt als neue Erkenntnis oder als Trend zu verkaufen, ist zwar ein wenig verwunderlich, aber es ist ja keine schlechte Sache. Natur tut gut, ich denke, das ist eine Binsenweisheit, für die man keine Studien mehr anfertigen muss.

Zu einem realistischen Naturbegriff gehört aber auch, die Natur nicht zu idealisieren.

Die Tatsache, dass wir Menschen Häuser bauen, die wir beheizen können, und Krankenhäuser, und Straßen, über die wir unsere Versorgung sicherstellen, Computer bauen und all die anderen zivilisatorischen Errungenschaften, und auch, dass wir die Natur bekämpfen können, zum Beispiel das Coronavirus im Moment, haben ebenfalls sehr positiven Einfluss auf unser Leben – auf unser Wohlempfinden ebenso wie auf unsere Gesundheit. Es ist ein Missverständnis, die Natur mit Idylle gleichzusetzen. Die Natur ist nie im Gleichklang, sie ist hat kein natürliches Gleichgewicht. Ihr Ungleichgewicht, ihre Unruhe ist die Grundvoraussetzung aller Evolution. 

Welchen direkten Einfluss hat die Naturentfremdung auf die unterschiedlichen Bereiche unseres Lebens?
Nur für meinen Bereich gesprochen: Die Tatsache, dass so vielen Menschen beim Begriff „Tier“ nur an Nutz- und Haustiere denken, und dass sich alle Debatten um Tierschutz, Tierrechte, Veganismus, usw. fast immer nur um Schweine, Rinder, Hühner, bzw. Hunde und Katzen dreht, und die übrigens rund 1,8 Millionen beschriebenen Tierarten eigentlich überhaupt kein Thema sind, führt dazu, dass sich viele Menschen auch nur für das Wohl von Nutz- und Haustieren einsetzen. Wenn Sie Menschen nach dem Bild einer perfekten natürlichen und tiergerechten Welt fragen, dann beschreiben sie eine Welt, in der Hausschweinchen glücklich über die Wiese hüpfen. Erst auf Nachfrage fällt ihnen ein, dass es auch Wildtiere gibt. Das hat zur Folge, dass Organisationen, die Spendengelder für Tierschutz oder Tierrechte sammeln, es heute sehr viel leichter haben als Naturschutzorganisationen.

Können wir davon ausgehen, dass die Rücksichtslosigkeit im Umgang mit unseren Wildtieren und ihren Lebensräumen eine Folge der Naturentfremdung ist?
Der Umgang mit den Wildtieren ist nicht rücksichtsloser als in früheren Zeiten, und selbst der Umgang mit den Lebensräumen ist zwar schlimm, aber doch sehr viel bewusster, auch verantwortungsbewusster, als vor 50, 100 oder 200 Jahren. Also diesen Zusammenhang sehe ich nicht. 

Wir sehen uns aktuell mit einem emotional geführten Forst-Jagd-Diskurs über den Stellenwert und die Daseinsberechtigung unseres Schalenwildes konfrontiert.  Wie können wir unseren Appell für einen ethisch fairen Umgang mit unseren Wildtieren trotz Naturentfremdung in der Öffentlichkeit platzieren?
Mit Argumenten allein ist es schwierig. Die Faszination ist ein wesentlicher Punkt. Wer je Rothirsche bei der Brunft erlebt hat, wird es sicherlich begrüßen, dass Hirsche in seiner Region leben. Wir können Menschen helfen, Naturerfahrungen zu machen, die sie faszinieren, aber es können auch nicht alle 3,6 Millionen Berliner zum Brunft-Spektakel nach Brandenburg pilgern, denn das würde die Hirsche selbstverständlich stören. Wir können aber auch z.B. durch den Naturfilm solche Faszination auslösen und sogar ins Wohnzimmer bringen. Den Naturfilm zu fördern, ist für unsere Stiftung daher auch ein wichtiger Ansatz.

Neben Emotionen sind aber auch Argumente wichtig. Dabei sollte es nicht immer nur um Baum versus Hirsch gehen, sondern die Bedeutung der Biodiversität und deren Bedrohung sollte mehr ins Bewusstsein rücken. Wenn wir über Artenvielfalt sprechen, kann man thematisieren, wie viele Arten großer Säugetiere wir in Deutschland denn überhaupt haben, das sind ja nur eine Handvoll.

Auch wenn Hirsche, Rehe und Wildschweine nicht im Bestand bedroht sind, erfüllen sie doch wichtige Aufgaben innerhalb des Ökosystems. Ihr unterschiedliches Fraßverhalten schafft Heterogenität in der Landschaft und ist damit die Grundlage für Artenvielfalt.

Sie verursachen in ihrem Lebensraum vielfältige Störungen, die zur Strukturvielfalt und damit zu biologischer Vielfalt beitragen. Die Tiere transportieren Pflanzensamen durch die Gegend. Von ihrem Aas und Kot profitieren zahlreiche Insekten, die wiederum für Vögel und Säugetiere eine wichtige Nahrungsquelle sind. Und so weiter. Das Wissen über solche Zusammenhänge ist leider wenig verbreitet. 

Jägerinnen und Jäger fühlen sich der Natur grundsätzlich eng verbunden und verfügen über ein umfangreiches Wissen. Sehen Sie die Jägerschaft in der Verantwortung, dem Trend der Naturentfremdung entgegenzuwirken? Welche aktive Rolle könnten und sollten die Jägerinnen und Jäger in pädagogischer Hinsicht übernehmen?
Jägerinnen und Jäger verfügen in der Regel über ein vergleichsweise gutes Naturwissen und eine empathische und dennoch sachliche Naturbeziehung, das heißt, sie haben ein realistisches, weniger idealisiertes Bild von der Natur und zeigen ihr gegenüber dennoch großen Respekt und Verbundenheit. Außerdem wollen sie, schon aus Eigeninteresse, Landschaften mit vielen Tieren, das passt natürlich gut zu den Interessen der Artenschützer. Das alles ist viel Wert und ein tolles Kapital für Naturbildungsansätze.

Leider ist der Wunsch nach Distinktion bei vielen Jägern jedoch sehr hoch und die Sprache, in der sie untereinander reden, ist nicht die, in der andere Menschen miteinander reden.

Wenn Sie „Schalenwild“ sagen, muss ich das erst in meinem Kopf übersetzen und denke zugleich, warum sagt sie nicht „Hirsche, Rehe und Wildschweine“ oder meinetwegen „Paarhufer“, und dann denke ich weiter: Sie sagt deshalb „Schalenwild“, damit ich weiß, dass sie Jägerin ist. Ich kenne einige pädagogische Angebote von Jägern, die vor allem daraus bestehen, den Kindern die jagdlichen Fachbegriffe beizubringen. Das ist im Sinne der Naturbildung wenig hilfreich. Andersrum wird ein Schuh draus.

Kinder verbringen ihre Zeit heute lieber vor dem Computer, als dass sie draußen über Wiesen laufen und auf Bäume klettern. Welche Auswirkungen hat dieser Trend auf die psychische und physische Entwicklung der Kinder?
Die tatsächlichen Folgen dieser Entwicklung werden sehr langfristiger Art sein, und sind noch nicht absehbar. Die Emnid-Umfrage der Deutschen Wildtier Stiftung 2015 brachte das Ergebnis, dass 49 Prozent der Kinder zwischen vier und zwölf Jahren noch nie selbständig auf einen Baum geklettert sind. Der Kinderarzt und Wissenschaftler Herbert Renz-Polster nennt vier Elemente, die die Natur bietet und die für die kindliche Entwicklung entscheidend sind: Freiheit, Widerständigkeit, Verbundenheit und Unmittelbarkeit (Link). Diese Erfahrungen sind sehr positiv für die Persönlichkeitsentwicklung und fehlen, wenn man nur am Computer oder Smartphone seine Zeit verbringt. Und es dreht sich beim Spielen im Wald ja auch gar nicht immer alles um Tiere oder Pflanzen. Deswegen sprechen Naturpädagogen auch gerne vom „Naturraum“: Die Natur ist nicht zwingend das Thema des Spiels oder Aufenthalts, sondern der Raum, in dem dies stattfindet. Forscher sagen, dass Natur eine Reizumgebung darstellt, die bei der Ausprägung der eignen Sinne, wie z.B. der Sensorik, eine ganz wichtige Rolle spielt. In der Natur spielen Kinder weniger allein, sie erleben gemeinsam mit anderen Kindern Gemeinschaft, das fördert die soziale Kompetenz. Wenn Kinder im Wald Äste als Ritterschwert benutzen statt vorgefertigte Ritterschwerter aus Plastik oder auch Holz, regt dies einerseits die Phantasie an und sie müssen sich zweitens mit den anderen Kindern darüber verständigen, das fördert zusätzlich die Sprachkompetenz. Alles dies sind wertvolle Elemente für die kindliche Entwicklung, die ohne Zeit im Grünen einfach fehlen.

Aus Ostasien erleben wir gerade ein enormes Interesse an den deutschen Natur- und Waldkindergärten, es gibt bereits zahlreiche Kooperationen mit chinesischen und südkoreanischen Organisationen. Dort hat man bereits gemerkt, dass das bisher übliche Bildungssystem gerade im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder nicht ausreichend ist.

Welche Rolle spielen die Schulen beim Aufbau einer Beziehung zur Natur und welche Rolle übernehmen das Elternhaus und das persönliche Umfeld?
Bei Vorschulkindern gilt: Man muss sie nur machen lassen. Sie eignen sich ihre Naturbildung spielerisch selbst an, wenn sie die Gelegenheit dazu haben. Sie suchen instinktiv nach dem Lebendigen. Wir alle wissen, wie stark Kinder sich zu Tieren hingezogen fühlen, sie sind von Anfang an fasziniert. Wenn man ihnen ausreichend Möglichkeit bietet, in der Natur zu spielen, Tieren zu begegnen, dann stellt sich die Naturverbundenheit von ganz allein ein. 

Ab dem Schulalter trennen sich die Sphären Freizeit und Schule: Zoobesuche, Spaziergänge, Wanderungen, Wochenendausflüge und Urlaubsreisen – also Aktivitäten zum Natur erleben, gehen in der Regel von den Eltern aus. Der Schule wird die Rolle der Wissensvermittlerin zugedacht. Das sehen im Übrigen die Jugendlichen selbst so. Der neuesten Jugend-Naturbewusstseinsstudie des BfN zufolge sind 76 Prozent der Jugendlichen der Meinung, dass das Wissen über Artenkenntnis in der Schule vermittelt werden sollte, nur je rund 30 Prozent nennen das Internet, Zoos und die digitale Medien. Und nur 14 Prozent finden, dass dies die Aufgabe ihres familiären Umfeldes sei. Ob die Aufteilung dieser Rollen tatsächlich überall so zutrifft, würde ich zwar bezweifeln, dem „Jugendreport Natur 2021“ zufolge spielen Eltern und Schule etwa eine gleich große Rolle bei der Herkunft des Naturwissens. Aber nichts destotrotz hat die Schule hier eine Verantwortung, der sie nur sehr begrenzt gerecht wird. Abstraktes Wissen über die Zerstörung von Regenwäldern oder den Kimawandel oder Plastik im Meer – so etwas wird zwar auch in der Schule vermittelt, aber dadurch stellt sich noch keine persönliche Verbindung zur Natur her und Naturwissen im engeren Sinne ist dies auch nicht. Artenkenntnis ist auf Lehrplänen als Bildungsziel meist gar nicht aufgeführt. Thomas Gerl, Leiter des Projekts „Biodiversität im Schulalltag“ an der Münchner Uni, hat es ganz schön formuliert: „Die Artenkenntnis steht auf der Roten Liste des bedrohten Wissens“. 

Wie kann naturnaher Unterricht gestaltet werden? Wo muss er ansetzen?
Während es inzwischen viele sehr gute Wald- und Naturkindergärten gibt, ist es bei Schulen tatsächlich schwieriger. In der Regel haben diese nur die Möglichkeit, gelegentlich Ausflüge in die Natur oder zu außerschulischen Lernorten mit Naturbezug zu organisieren oder sich mit der Natur direkt an ihrem Schulgebäude zu befassen. Ein Schulgarten ist dafür natürlich eine hervorragende Grundlage, aber auch jeden Schulhof kann man naturnäher umgestalten. In Berlin unterstützen wir ein tolles Projekt, bei dem Schulen sich bewerben können, „Spatzenretter-Schulen“ zu werden. Die Schülerinnen und Schüler übernehmen dabei die Patenschaft für die Gebäudebrüter an ihrem Schulgebäude. So lässt sich die Natur das ganze Jahr über in den Unterricht integrieren. Das kann ich nur empfehlen, denn irgendwelche Tiere leben an jeder Schule. 

Können wir den Trend zur Naturentfremdung noch umkehren? Falls ja, welche Lösungsansätze sehen Sie?

Ich denke, das ist möglich. Dass Natur wichtig ist, begreifen immer mehr Menschen.

Wichtig ist, dass wir, und damit meine ich vor allem die Erwachsenen, aufhören, die Natur zu idealisieren und zu verklären, sie nur als schnuckeligen Erholungsraum, als Sinnersatz, als Projektionsfläche eines vermeintlich unentfremdeten Lebens ansehen.

Der Kern der Naturentfremdung ist, dass wir uns selbst nicht mehr als Teil der Natur ansehen. Die Natur, die ist unserer Vorstellung nach irgendwo da draußen, woanders. Sie wird nicht als Lebensraum angesehen, nicht als Grundlage und Teil unseres Seins. Dieser Zustand wird viel zu oft von einer Umweltpädagogik, die darauf angelegt ist, Kindern vor allem ein schlechtes Gewissen zu machen, eher noch verstärkt. Die Natur ist demnach immer gut und der Mensch immer böse. Klimawandel, Wasserverbrauch, Pestizide, Regenwaldabholzung – was vermittelt wird, ist: „Der Mensch“ möge doch bitte „die Natur“ in Ruhe lassen. Dass Kinder auf diese Weise Natur als etwas außerhalb ihrer selbst Stehendes, als etwas, was auf der anderen Seite steht, ansehen, wird dabei in Kauf genommen und sogar befördert.

Vor allem in der Bildungsarbeit sind wir da gefragt. Wenn Kinder in das Alter kommen, aus Entrüstung über Fotos leidender Tiere in der Intensivtierhaltung zu sagen, dass sie künftig kein Fleisch mehr essen wollen, können wir ihnen sagen: Das ist toll, dass du dich für Tiere interessierst und einsetzen willst, da gibt es viel mehr als Rind, Huhn und Schwein, da gibt es jede Menge zu entdecken da draußen, eine wunderbare, eine unfassbar spannende Vielfalt, und jede Menge, wofür es sich lohnt, sich zu engagieren. Guck mal, direkt vor deinem dicken Zeh geht es schon los, siehst du den Käfer da? 

Was bedeutet die Natur für Sie persönlich? 
Ich bin in Bad Homburg, am Taunus, zum Glück sehr naturnah, aber gleichzeitig nicht im Umfeld von Landwirtschaft, zwischen einem kleinen Bach und einer riesigen, für mich damals endlos großen und sehr artenreichen Blühwiese, dem Kirdorfer Feld, groß geworden, das hat mich sehr geprägt. Das war also zunächst das eigene Erleben, das Spielen am Bach, in der Wiese, am Waldrand. Natur war etwas ganz Alltägliches für mich. Das nächste, was mich geprägt hat, waren die Fernsehsendungen von Bernhard Grzimek, bei denen ich ins Staunen versetzt wurde. Hier war nichts mehr selbstverständlich. Da begriff ich, dass die Tierwelt, die Natur, sehr viel größer, sehr viel faszinierender und sehr viel komplexer ist, als das, was ich an meinem Bach und auf meiner Wiese erlebte. Heute lebe ich in der Großstadt Berlin und ich empfinde es immer noch Tag für Tag als Sensation, dass Igel und Fuchs direkt bei mir ums Haus laufen und ich dem Biber an der Spree beim Bäume fällen zuschauen kann. Natur ist immer da. Man muss nur die Augen öffnen.

Im Gespräch mit Herrn Bozic ist mir nochmals sehr bewusst geworden, dass alle unsere jagdlichen Aktivitäten kommunikativ flankiert sein müssen. Die Jagd kann nur überleben, wenn wir transparent, authentisch, nahbar und dialogbereit auftreten. Die Zeiten, in denen wir uns still und leise durch die Wälder schlichen und niemand so wirklich darüber Bescheid wusste, was eigentlich unser Auftrag ist, sind längst vorbei. Wir brauchen mehr ehrliche Öffnung und Geschlossenheit nach außen und weniger Unstimmigkeit in den eigenen Reihen. Nur wenn wir es schaffen, das vorherrschende romantisierende Verständnis der Natur mit Fakten und Erfahrungen aus der Praxis zu relativieren, haben wir eine echte Chance, Sinn und Relevanz der Jagd verständlich zu vermitteln. Dass wir alle an einem Strang ziehen und unsere persönlichen Belange unterordnen müssen, um diese Ziel zu erreichen, versteht sich von selbst.

Vielen Dank an Herrn Bozic für das ausführliche Interview!

Quellen:
www.natursoziologie.de (online Abruf 24.11.21, 12:00h)
www.jagdfakten.at (online Abruf 23.11.21, 20:30h)

Weiterführende Links:
Jugendreport Natur 2021
Brämer, Rainer, Abschied von der Natur? – Facetten einer schleichenden Naturentfremdung, Studie Version 04, Stand 03/20
Haus Wildtierland

Beitragsfoto: szfphy on Pixabay

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