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Titel der Studie: Schätzung der Populationsgröße des Rotwildes (Cervus elaphus) im Süden des Schwarzwaldes: Die Rolle der Jagd bei der Populationskontrolle
Originaltitel: Estimating red deer (Cervus elaphus) population size in the Southern Black Forest: the role of hunting in population control
Autoren: Robert Hagen, Alexandra Haydn, Rudi Suchant
Fakten und Erkenntnisse
- Die Jagd vermag die Rotwild-Populationsgröße zu reduzieren, solange die Jagdstrategie Teil eines großräumigen und ganzheitlichen Managementkonzeptes mit geeigneten Maßnahmen ist.
- Die Verringerung des Rotwildbestandes durch die Jagd ist wahrscheinlicher, wenn die Streckenzahl mindestens 38% der geschätzten Populationsgröße ausmacht.
- Seit 2007 gehen die Rotwildstrecken im Südschwarzwald zurück. Zwischen 2007 und 2016 ist sie um 150 Stück gesunken ist – Damit war die Strecke 2007 fast doppelt so groß wie 2016.
- Die Streckengrößen korrelieren mit den visuellen Rotwildzählungen zur Populationsschätzung. Dies gilt nicht für die Ergebnisse der Fährtenkartierung, bei der das Vorkommen und die relative Dichte von Wildarten in einem bestimmten Gebiet und zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasst werden.
Ausgangslage
Über die letzten Jahrzehnte haben die Jagdstrecken von Reh- (Capreolus capreolus) und Rotwild (Cervus elaphus) in ganz Europa zugenommen. Das Verständnis der Bewirtschaftung von Schalenwild hat sich deshalb verändert. Der Artenschutz als Managementziel wurde von einer primären Populationskontrolle abgelöst. Seit 1968 liegen im Südschwarzwald behördlich dokumentierte Streckenzahlen vor. Die jährlichen festgelegten Jagdquoten werden dabei im Hinblick auf ökonomische und ökologische Zielsetzungen festgelegt. Sie berücksichtigten die an den Fütterungsorten verzehrte Futtermenge, die Dauer der Fütterungsperiode, die Anzahl des an den Fütterungen gezählten Rotwildes und die Ergebnisse von Streckenerhebungen. Die Entwicklung der Rotwildpopulation im Südschwarzwald lässt sich am besten anhand der Abschussstatistik darstellen. Daraus lassen sich drei Phasen ableiten:
- Die Zunahme des Rotwildbestands inner- halb und außerhalb des Rotwildgebiets bis zu Beginn der 70er Jahre
- Die Bestandesreduktion der Jahre 1973 bis 1984
- Der Wiederanstieg der Population innerhalb des Rotwildgebiets seit 2000
77% der Rotwildmanagement-Gebiets im Südschwarzwald besteht aus forstwirtschaftlich genutzten Waldflächen mit mehrheitlich norwegischer Fichte (Picea abies), europäische Weisstanne (Abies alba) und Buche (Fagus sylvatica). Etwa die Hälfte der Flächen sind Staatsgebiet. Montane und hochmontane Lagen zwischen 800 m und 1.300 m Meereshöhe nehmen rund 90 % der Fläche ein. Das Land Baden-Württemberg hat fünf ausgewiesene Rotwildgebiete: Odenwald (19.000ha), Nordschwarzwald (105.000ha), Südschwarzwald (17.500ha), Schönbuch (4.000ha) und Allgäu (4.000ha). Das Rotwild soll sich per amtlicher Verordnung ausschließlich in diesen ausgewählten Gebieten aufhalten. Diese behördliche Abgrenzung von sogenannten Rotwildbezirken ist in dieser Form in Europa einmalig. In Baden-Württemberg sind die Reservate in einer Rotwildverordnung gesetzlich geregelt, die vom 28. März 1958 datiert ist. Verlassen die Tiere die Rotwildgebiete, müssen sie erlegt werden, denn außerhalb dieser fünf Gebiete gilt ein Abschussgebot. Einzige Ausnahme sind Kronenhirsche.
Eine räumliche Konzeption regelt das Rotwildmanagement.
1994 wurde von einer Projektgruppe aus Jägern, Wissenschaftlern, Förstern, Naturschützer und Landbesitzer eine Rotwildkonzeption entwickelt, die 2008 umgesetzt wurde. Das Konzept sieht eine räumliche Zonierung, ein Fütterungsprogramm sowie Vorschriften für Jagd- und Freizeitaktivitäten vor. Das Zonierungsschema besteht aus einer Außenzone, einer Grenzzone und einer Kernzone mit den Schutzgebieten. Es gelten je nach Zone unterschiedliche Jagdzeiten. Zu den Zielen der Winterfütterung gehören die Minimierung von Waldschäden und die Minimierung der saisonalen Migration, wobei letztere auch die Zahl der Wildunfälle im Straßenverkehr verringert.
Eines der Managementziele war die Reduktion der Rotwild-Winterpopulation auf ein Zielniveau von 400 Stück. 2006 lag die Populationsgröße zwischen 696 und 736 Stück bei einem Geschlechterverhältnis von 1.2 : 1 (weiblich älter als 1 Jahr : männlich älter als 1 Jahr). Dabei kam die Frage auf, ob Einzeljagden auf Grund der erhöhten Störungen für das Wild sowie des zusätzlichen zeitlichen Aufwands die geeignete Jagdstrategie wäre, um dieses Ziel zu erreichen. Im südlichen Schwarzwald werden durchschnittlich 26h für den Abschuss eines Stück Rotwildes aufgewendet. Um die durch Jagdaktivitäten verursachten Störungen zu begrenzen, wurde die Jagd nach einem räumlichen Konzept geregelt, das seit 2006 schrittweise angepasst und optimiert wurde. 2006 wurden zunächst Drückjagden eingeführt. Streckenanalysen lieferten Informationen über Geschlecht und Alter des Rotwildabschusses und wurden verwendet, um zukünftige Abschusszahlen festzulegen. Zwischen 2006 und 2016 stieg der Anteil des bei Drückjagden erlegten Rotwildes auf bis zu 40% der jährlichen Rotwild-Gesamtstrecke. Obwohl das Geschlechterverhältnis der erlegten Tiere zwischen 2006 und 2010 zu Lasten der weiblichen Stücke ausfiel, empfahl die Wissenschaft für 2011 eine weitere Erhöhung der Quote der weiblichen Stücke, um die Rotwildpopulation zu verringern. Diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Rotwildstrecke im Südschwarzwald zwischen 2007 und 2016 um 150 Stück gesunken ist – Damit war die Strecke 2007 fast doppelt so groß wie 2016. Der Streckenanteil an der geschätzten Rotwild-Populationsgröße lag zwischen 31.2 und 45.3%.
Projektübersicht
Die Studie untersuchte von 2006-2015, ob die Jagd im Südschwarzwald (17.500ha) eine Verringerung der Populationsgröße des Rotwildes erreichen konnte. Grundlage für die Generierung von Ergebnissen war eine Bestandsschätzung. Diese basierte auf Zählungen an Fütterungen, Streckenzahlen (inkl. gefundenem Fallwild), Ab- und Zuwanderungen in der Winterzeit und den Resultaten eines nach Alter und Geschlecht strukturiertem Populationsmodells. Zusätzlich wurden die Streckenzahlen aus dem Südschwarzwald mit denjenigen aus anderen Rotwildgebieten aus Baden-Württemberg verglichen. Zur Einschätzung der Populationsgröße wurde außerdem die nicht-invasive CMR-Methode (Mark-Recapture-Ansatz) angewendet. Mittels Kotproben wird dabei die Genotypisierung von Individuen bestimmt.
Quellen:
European Journal of Wildlife Research (2018), 64:42, ©Springer-Verlag GmbH Deutschland, Teil von Springer Nature 2018
Link zum Projekt:
Rotwildkonzeption Südschwarzwald 2008 – Konzeption eines integrativen Rotwild-Managements; www.waldwissen.net
Beitragsfoto: Robert Wiedemann auf unsplash
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